Auf dem Dreistelz lag vor langen Zeiten ein stattliches Schloss. In ihm wohnten drei adelige Damen, die zwar von großer Schönheit, aber hässlicher Gemütsart waren. Stolz wie Pfauen stiegen sie einher, hatten aber für Dienstleute und Fremde nur verächtliche Blicke und fanden ein Vergnügen daran, Arme und Elende zu peinigen.
Einmal klopfte ein fremder Wanderer an das Schlosstor. Es war Winter, und die Dunkelheit brach herein. Der Pförtner des Schlosses hatte die strenge Weisung, ohne Erlaubnis der Schlossherrinnen niemanden einzulassen. Er fragte den Fremden, dem dicke Eiszapfen von seinem buschigen Bart hingen, was er wolle. Der alte Wandersmann erzählte dem Pförtner, er habe sich verirrt und könne sich nicht mehr zurechtfinden. Die Schlossbesitzer möchten um Gottes Willen Einlass gewähren, ihm ein Stück Brot und ein Nachtlager geben, er müsse sonst verhungern und erfrieren. Der Pförtner meldete die Bitte des Greises seinen Herrinnen. Diese aber kamen herbei, um den späten Gast anzusehen. Sie ließen ihre hochmütigen Blicke über die gebrechliche Gestalt des Hilflosen gleiten, spotteten seiner Not und wiesen ihn ab. Als der alte Mann aber nicht ging und noch inständiger um Barmherzigkeit bat, hetzten sie die großen Schlosshunde auf ihn.
Der Fremde aber berührte die heranstürmenden Bestien mit seinem Wanderstab. Sofort sanken diese tot in den Schnee. Dann rief er die Rache des Himmels über die Stätte des Hochmuts und der Hartherzigkeit herab. Das Schloss geriet sofort in Bewegung, der Berg öffnete sich und der stolze Bau versank auf Nimmerwiedersehen.
Nun liegt das einstige Schloss auf dem Grund eines unterirdischen Sees und seine Insassen müssen darin schlafen bis an den jüngsten Tag. Nur alle drei Jahre kräht der Hahn um Mitternacht auf dem Berg und zwar an dem Tag, an dem sich die Verwünschung jährt. Dann erwachen die verwunschenen Schläfer aus ihrer tiefen Ruhe, beten für ihre Seelen und schlummern wieder ein.
Quelle
Josef Lisiecki: Das versunkene Schloß auf dem Dreistelz | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 124 f. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen:
- Volkstümliches Heimatbuch, S. 184,
- Der Volkersberg 1978, S. 99,
- Aus der Thüngenschen Cent, S. 31,
- Sagen aus Rhön und Vogelsberg, S. 63,
- Studienreihe Alt-Brückenau III, S. 154 und 155,
- Sagenschatz des Frankenlandes 1842, S. 119,
- Bergwinkelgeschichten, S. 45.
Weitere Informationen zur Sage
- Eingelesene Version der Sage zum Anhören auf den Seiten des Biosphärenreservats Rhön
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