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Der Wildweibstein

Sage aus Heiligkreuz

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Das wildromantische Tal der Schondra zwischen der Heckmühle und dem Mittelmühlsteg ist ein Stück seltener Naturschönheit. Der rauschende Bach wird an der Krone des Nordhanges von einem herrlichen Felsenparadies begleitet, das aus einer Wand weißen Sandsteins und einem Meer abgebrochener Quader besteht. Der östliche Eckpfeiler dieser Wand wird von übereinander getürmten Felsen gebildet, zwischen denen sich ein ca. ein Meter hoher, 3/4 Meter breiter und einige Meter tiefer Spalt gebildet hat. Dieses ganze Felsgebiet heißt „Wilder Weibstein“.

Vor urdenklichen Zeiten, so erzählt die Sage, soll hier eine fromme Klausnerin gehaust haben, die der Volksmund wegen ihres ungepflegten Aussehens in späteren Zeiten wildes Weib nannte. So wurde ihre Behausung zum „Wildweibstein“. Von ihrer Höhle aus habe ein unterirdischer Gang zur Kirche von Detter geführt; ja, man habe aus diesem sagenhaften Gang sogar einmal von der Kirche her einen Hund bellen hören. Heute noch stehen manche Kinder mit Furcht und Schrecken vor diesem dunklen Felsspalt.

Es wird sogar behauptet, dass in früheren Zeiten der Wildweibstein mit seinen Sandsteinhöhlen eine Zufluchtsstätte für verstoßene Menschen gewesen sei; sogar die heilige Genoveva habe dort Schutz gefunden. Wieder andere alte Bürger dieser romantischen Felswelt lassen sich nicht ausreden, dass in der Nähe ein Schloß gestanden habe, von dem aber kein Stein mehr gefunden wurde. „Ginster gürtet golden die Heide, wo das verwunschene Schlößlein stand“, schrieb ein Dichter.

Unten in der Tiefe rauscht die Schondra. Der Wald drängt sich zu beiden Seiten an das Ufer heran, um eifersüchtig das schönste Geheimnis des Schondratals zu verbergen: urwüchsige Felsgruppen, wie wir sie niemals hier vermutet hätten. Unter dem größten Felsblock, dem Giebelstein, ist eine weiträumige Höhle für Fischotter. Wenn dann in den Sonnwendnächten gespenstige Nebelschwaden durch die Felsenschlucht ziehen, breitet der Otterkönig seine goldglänzenden Schätze auf den Felsen aus und schmückt den Tanzsaal der Elfen zum festlichen Reigen.

Quelle

Josef Lisiecki: Der Wildweibstein | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 99 f. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet

Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen:

  • Volkstümliches Heimatbuch des Landkreises Brückenau, S. 218
  • „Aus der thüngenschen Cent“, S. 12 und 13.
  • Heberlein schreibt: Vielleicht stammt der Name dieser Felsgebilde aus der germanischen Glaubenswelt. Man könnte vermuten, wilde Weiber hätten diese Steine geworfen, als sie im Gefolge des Göttervaters Wodan über die Wälder brausten. Zur Zeit der Christianisierung wurden oft heidnische Kultstätten durch furchterregende Geschichten „verteufelt“. Eine andere Namensdeutung will das mundartliche „Wei“ auf „Weihe“ zurückführen, also wird der Wilde Weibstein zum „Weihestein“, zumal in der Umgebung noch die Namen „Teufelsgraben“ und „Feuerbach“ anzutreffen sind.

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