In der äußersten Südostecke des heutigen Landkreises Bad Kissingen, südöstlich von Volkershausen, lag vor urdenklichen Zeiten der Ort Stündlingshausen. Eine Pestepidemie hatte das ganze Dorf hinweggerafft, nur ein altes Mütterlein blieb am Leben.
Die Frau machte sich Sorgen, wer nun die Felder bestellen soll und das Vieh versorgen, denn ihr einziger Sohn lebte in der Fremde bei den Soldaten. Da sie sich keinen Rat wusste, bot sie dem Bürgermeister von Volkershausen ihren landwirtschaftlichen Besitz für bare 360 Gulden an. Der Dorfschulze war aber nicht so gut „bei Gemeindekasse“ und vertröstete sie auf den nächsten Morgen.
Schon in aller Frühe eilte er in das nahe Ballingshausen und erbat die Summe von seinem Berufskollegen. Unklugerweise verriet er aber, wozu er das viele Geld brauche. Der gutherzige Schultheiß von Bellingshausen wollte ihm gerade die Summe vorstrecken, da trat dessen Frau ins Amtszimmer – sie hatte im Nebenzimmer alles „mitbekommen“ – und sagte, ihr Mann möge einen Augenblick in den Stall kommen. Dort war folgende Belehrung: „Gib ihm nur einen kleinen Teil des Geldes; mit dem großen Teil kaufst du die Felder selber. Stündlingshausen liegt vor unserer Haustür, da kann man doch die Felder von Bellingshausen vergrößern. Du hast zuerst an deine Gemeinde zu denken!“
Der Bürgermeister sah den Vorschlag seiner klugen Frau ein, eilte nach Stündlingshausen und kaufte dem Mütterchen die Felder und Wiesen ab. Der Kollege von Volkershausen aber kam zu spät.
Als nach Jahren das Mütterchen starb, kam der Sohn heim, der bei den Pappenheimer Reitern ausgedient hatte und wollte das Erbe seiner Mutter antreten. Er war über den Verkauf der elterlichen Ländereien so tief geknickt, dass er tagelang in den Fluren der Heimat umherstreifte, die so viele Jugenderinnerungen mit ihm verbanden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als wieder in die Fremde zu gehen. Doch jedes Jahr zog es ihn einmal in die Heimat und er durchstreifte voller Schmerz auf seinem Ross die heimatlichen Fluren.
Selbst nach seinem Tod soll er als Geist noch mehrmals bei Volkershausen hoch zu Ross erschienen sein. Später nannte man den Berg, auf dem man den ruhelosen Reiter gesehen haben will, den Reitberg.
Quelle
Josef Lisiecki: Der Sohn, dem sein Erbe verkauft wurde | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 222 f. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen: Geschichten und Sagen des Kissinger Raumes, S. 36, nach einer Erzählung von Lehrer Eller aus Volkershausen 1936.
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