In der Rhön gibt es viele Sagen von weißen Frauen, die an Quellen oder Brunnen erscheinen oder aus dem Wasser steigen. Oft sucht eine Frau Erlösung, oft ist es eine Fee, die goldenen Sonntagskindern reiche Gaben spendet. Oft verboten alte Leute den Enkelkindern, nicht eher von einer Quelle zu trinken als bis der Pfingstgeist darüber geschwebt und sie gesegnet habe.
Nur wenige Meter nordöstlich von Kothen erhebt sich ein merkwürdiges Gebilde aus Phonolithgestein, der Pilsterfelsen. Ganz in der Nähe murmelt seit Urahnenzeit eine silberhelle Quelle. Diese wurde aber von Alt und Jung gemieden, denn von Mund zu Mund ging das Gerücht, das perlende Wasser sei von geheimnisvollen Wesen bewohnt, die mit dem Gold des Abendlichts aus den Felsschatten steigen und die Quelle umschweben.
Eines Abends verspätete sich ein hübsches Mägdelein, das seinen Liebsten „in der Hötte“ (in den Glashütten) besucht hatte. Es wählte wegen der fortgerückten Stunde den näheren Weg an dem geisterumwitterten Fels vorbei. Doch plötzlich lähmten Furcht und Schrecken seine Glieder. Eine weiße Frau in wallenden Gewändern erhob sich aus den tiefen Felsspalten. Die Gestalt reichte dem zitternden Mädchen einen kostbaren Silberbecher mit den Worten: „Gib mir von dieser Quelle zu trinken!“ – Schreckensbleich tat das Mädchen, wie ihm befohlen. Doch da gebot die metallene Stimme:
„Nun trink auch du von diesem Wasser, dann wirst du nach keiner anderen Quelle mehr dürsten, denn diese schenkt dir Gesundheit, Glück und hohes Lebensalter!“
Das Mädchen kostete aus Furcht und in bangem Zweifel von dem geheimnisvollen Nass; die weiße Frau aber war verschwunden. Schweißgebadet und völlig verwirrt eilte das Mädchen nach Kothen zurück. Wohl niemand hätte ihm Glauben geschenkt, hielte es nicht jenen kostbaren Pokal in seinen noch zitternden Händen.
Von diesem Tag an gewann die Quelle in zunehmendem Maß an Bedeutung und wurde als hervorragende Mineralquelle geschätzt.
Quelle
Josef Lisiecki: Die weiße Frau vom Pilster bei Kothen | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 107 ff. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen:
- Volkstümliches Heimatbuch, S. 108,
- Der Volkersberg, S. 96,
- Sagen aus Rhön und Vogelsberg, S. 131 und 132,
- Bayernheft 17 „Rhön und Fränkische Saale“, S. 14 und 15
- Karl Straub: Die Rhön im Wandel der Monate, S. 112 und 113.
Ungefährer Ort der Sage
Weitere Sagen
Sagen aus Motten
Sagen aus dem Landkreis Bad Kissingen