Zwischen Volkers und Speicherz, westlich der Autobahn, liegt die Waldabteilung Dickwald. Dort ist eine kleine Andachtsstätte, das Antoniushäuschen. In seiner Nähe war zu alten Zeiten einmal eine Waldlichtung oder eine Trift.
In der Nähe hoher alter Buchen war ein großer Schatz verborgen. In düsteren Neumondnächten erschien über dem vergrabenen Reichtum ein Kessel mit glühenden Kohlen. Wollte aber jemand sich dieses Schatzes bemächtigen, musste er zu mitternächtlicher Stunde unter strengem Stillschweigen den Kessel mit den heißen Kohlen von der geheimnisvollen Stelle wegheben.
Eines Tages fassten zwei Männer aus Speicherz den Entschluss, die Bedingungen zu erfüllen und den Schatz zu heben. Heimlich schlichen sie in der nächsten Neumondnacht zu der entlegenen Trift. Kaum war der letzte Glockenschlag vom Turm des Klosters Volkersberg über den Wipfeln der Bäume verklungen, begann über dem Waldgras der Lichtung ein großer eiserner Kessel mit glühenden Kohlen zu flackern. Die Männer bissen sich energisch auf die Zähne, so dass kein Laut ihren Lippen entschwinden konnte und eilten hinzu. – Da sprengten zwei kleine bärtige Männlein auf zottigen Ziegenböcken daher, ritten dreimal um den Kohlenkessel und den verborgenen Schatz und verschwanden wieder im Dickicht.
Die tapferen und immer noch stummen Männer fassten ein Herz, ergriffen den Kessel, um ihn wegzuheben – da bot ihnen vom Rand der Lichtung aus eine eigenartig helle Stimme einen freundlichen Abendgruß. Erschrocken wandten sie sich um, beherrschten sich aber, den Gruß zu erwidern. In diesem Moment tauchte aus dem nächtlichen Dunkel ein dritter Reiter auf, der auf einer Ziege saß, die nur drei Beine hatte. Diese machte so merkwürdige Sprünge und komische Tänze, dass die Schatzgräber sich des Lachens nicht erwehren konnten und ihr Schweigen brachen.
Wer mag aber den Schrecken beschreiben? – In diesem Augenblick waren Kessel und Ziegenreiter verschwunden; aus dem Wald aber dröhnte ein höhnisches Gelächter wie das Meckern eines Ziegenbocks. Traurig traten die Speicherzer ihren Heimweg an, denn Kobolde geben nur schweigend den Schweigenden ihre Gaben.
Quelle
Josef Lisiecki: Die Ziegenreiter von Speicherz | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 195 f. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen:
- Volkstümliches Heimatbuch, S. 113
- Die Rhön im Wandel der Monate, S. 58
- Sagen aus Rhön und Vogelsberg, S. 197 und 198
- Der Volkersberg, S. 98
Ungefährer Ort der Sage
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Sagen aus Motten
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