Einst stand am Fuß der längst verfallenen Eiringsburg, am Lullbach, der in die Saale fließt, eine lustig klappernde Mühle. In ihr lebte ein dicker behäbiger Müller, der es verstand, auf Kosten seiner Kunden sich ein ansehnliches Vermögen zu erwerben. Durch seine zweite Ehe hatte er sich ein bitterböses Weib angeheiratet, das mit Hand und Zunge recht schlagfertig war und für das Gesinde immer Arbeit hatte, aber wenig Nahrung. Die vielen Kinder des eigennützigen Ehepaares arteten den Eltern nach; sie waren „einträglich“ wie die Hamster und nahmen mit Gewalt, was man ihnen nicht gutmütig überließ.
Nur ein hübsches Mädchen der ersten Frau war gut geraten. Es war naturlieb, hatte ein Herz für Blumen und Tiere und musste letztere oft schützen vor den Quälereien seiner Geschwister.
Eines Tages ging die Edelfrau der Eiringsburg mit ihren Kindern im Wiesengrund der Saale spazieren und beobachtete das Mädchen aus der nahen Mühle, wie es gerade einen hübschen Strauß Wiesenblumen band. Kaum hatte es die Rittersfrau erblickt, eilte es zu ihr, verneigte sich artig und reichte ihr die Blumen. Die Herrin war über die nette Art und Höflichkeit des Müllermädchens so begeistert, dass sie es als Gespielin ihres Töchterleins mit auf das Schloss nahm. Dem Müller und seiner Frau war dies gerade recht. So wuchs das Kind zu einer attraktiven Jungfrau heran und diente dem Burgfräulein als Zofe.
Inzwischen hatte sich der Knappe Heinz in das schöne Müllerskind verliebt, aber auch der junge Ritter Stoffel. Um ein Unglück zu vermeiden, schickte die kluge Burgherrin das Mädchen nach Hause. Der Knappe Heinz durfte es begleiten. Die Müllerin aber hätte in ihrem dummen Stolz das Mädchen gern als Rittersfrau gesehen und prügelte voll Zorn mit einem Besen auf den Knappen ein und steckte das Mädchen über Nacht in eine dunkle Kammer. Heinz irrte an der Saale umher und wollte in seinem Herzeleid seinem Leben ein Ende machen. Da begegnete er einem Zwerglein, das zu den Wichtelhöhlen wollte, die am anderen Ufer lagen. Aber sein Schifflein war weggeschwommen und so stand es hilflos am reißenden Wasser. Heinz erzählte ihm sein leid. Der Zwerg versprach dem Knappen Hilfe, wenn er ihn ans andere Ufer brächte. Dieser Wunsch war schnell erfüllt. Der Kleine nahm Heinz mit in die Höhle, der verprügelte Liebhaber aber aß und trank dort seinen Kummer hinunter und die Zwerge versprachen Hilfe, weil sie über die herzlose Stiefmutter sehr aufgebracht waren.
Mittlerweile hatte auch der alte Ritter, der ein sehr gestrenger Herr war, von der Geschichte Kenntnis bekommen.
Sofort schickte er seinen Sohn, der ja auch dem hübschen Mädchen nachstellte, für längere Zeit zum Bischof nach Würzburg, um dort einen Auftrag erledigen zu lassen. Kurz darauf erschien die Müllerin mit ihrer Stieftochter und berichtete prahlend, was sie dem Knappen angetan. Der Ritter aber jagte sie zur Tür hinaus. Auch im Hof schlugen Knechte und Mägde mit Stecken und Besen auf sie ein. Während sie davonrannte, erblickte sie auf den Felsen der Batzenleite die Zwerge, wie sie lange Nasen drehten und ein Freudengeschrei anstimmten.
Dem Knappen Heinz aber befahl der Ritter: „Bau dir droben im Dorf eine Mühle und nimm dir so viel Holz aus dem Wald, wie du brauchst!” Schon am nächsten Morgen begann der Knappe mit dem Bauen und alle Zwerge halfen mit. Bereits nach wenigen Wochen stand eine funkelnagelneue Mühle da, sie war aber mit alten Schindeln gedeckt, denn die listigen Zwerge hatten dem geizigen Müller alle Schindeln abgehoben und sie zur neuen Mühle getragen. Der alte Ritter freute sich über die rasche Ausführung seines Willens und sprach: „Nimm dir eine Müllerin!“ Dem Knappen Heinz ging sein Herzenswunsch in Erfüllung und er heiratete das reizende Müllerskind. Beide wurden glücklich und zufrieden.
In der alten Mühle aber ging es bald übel zu. Das Geschäft ging zurück, die Kinder verließen ihre Eltern und zogen in die Welt hinaus. Der Müller starb bald, nachdem ihn das böse Gewissen in den Tod getrieben hatte. Die alte Müllerin verließ den Ort, streifte verzweifelt durch die Wälder ist seitdem verschollen. Die Mühle aber verfiel. Nur der Ort, wo sie einst stand, heißt heute noch „die wüste Mühle“.
1927 erwarb die Stadt Bad Kissingen dieses Grundstück.
Quelle
Josef Lisiecki: Das Schicksal der alten Mühle bei der Eiringsburg | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 20 | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Quelle auf: Quellenblätter Aug. 1974 Nr. 2, S. 7 nach A. W. Nikola: Volkssagen im Saalegau 1936.
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