Ein altes Kirchbuch erzählt folgende Sage in Reimform:
„An der südlichen Seite der Saale,
in engem und steinigem Tale,
liegt traulich, einladend und helle,
eine schöne Marienkapelle,
wo die Gläubigen mit kindlichem Sinn
verehren die Himmelskönigin.
Maria Steintal, so genannt,
ist weit und breit hin bekannt.
Ihre werte Entstehung kam dadurch,
dass ein biederer Müller von Hammelburg
mit seinem Knechte in mäßigem Schritt
über den Steintaler Berg hinritt.
Als nun an genannte Stelle er kam,
ein tödlicher Blutsturz ihn übernahm.
In heftigen Schmerz banger Angst und Not,
sah er entgegen dem sicheren Tod.
doch mit zitternder Stimm’
gelobte er, Maria, der Himmelskönigin,
dass, wenn sie gnädig auf ihn wollt schauen,
in Stein ein Bildnis zu hauen.
Und zur Verehrung der gläubigen Welt
auf diesem Platz werd aufgestellt.
Und wie ein Wunder: Zur selbigen Stund,
wurd wieder der Müller frisch und gesund.
Doch wie es oft im Leben so geht,
des Müllers Versprechen war bald verweht,
was er versprochen so heilig und hehr,
daran gedacht er schon lange nicht mehr.
Nach Jahresfrist ritt er wieder einmal
vom selbigen Berg hinab ins Tal,
und zum zweitenmal überfiel ihn dort
ein Blutsturz an dem nämlichen Ort.
Jetzt, da er lag mit gebrochenem Slick,
kam ihm sein altes Versprechen zurück,
und wieder mit kindlichem Sinn
fleht er zur Himmelskönigin,
versprach in seinem Herzen laut,
dass nebst ersterem noch werd gebaut,
an dieser so heiligen Gnadenstelle
eine der Gottesmutter geweihte Kapelle.
Und es wurde abermals gesund
der Müller zu derselben Stund.
Er hielt was er versprochen so treu,
bald stand die Kapelle fertig und neu.
Der Zudrang war alsbald so groß,
dass ihn nicht fasst des Kirchleins Schoß.
Und so ward denn bald beschlossen,
die alte Kapelle abzustoßen,
und dass an dem Platze so hehr und traut
eine neue und größere werde gebaut.
Wie es beschlossen, so wurde bald auch
der Grundstein gelegt nach katholischem Brauch.
Als nach dem Verlauf dreier Jahr,
die neue Kapelle fertig war,
ward sie unter Jubel und Freud
vom Bischof von Fulda eingeweiht.
Seitdem glänzt wie ein Stern durch Nacht und Sturm
Marias Bild auf Maria Steintals Turm.“
Quelle
Josef Lisiecki: Maria Steintal | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 96 ff. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen: Geschichten und Sagen des Hammelburger Raumes, S. 40 und 41 nach Hammelburger Zeitung – Heimatblätter vom 24.12.1933, S. 1 zur 1717 erbauten Marienkapelle. (Aufzeichnungen in einem alten Kirchenbuch)
Ungefährer Ort der Sage
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