Diese Sage wird in verschiedenen Varianten erzählt:
Auf dem Sodenberger Schloss stand einst eine Magd in Diensten ihrer Herrschaft. Sie machte sich durch ihre wilde und ungezügelte Wesensart bei ihren Vorgesetzten recht unbeliebt. Die Herrin hätte das Mädchen schon lange entlassen, wenn es nicht armer Leute Kind gewesen wäre. Eines Tages verliebte sich ein junger Ritter der nahen Reußenburg, die schon lange verfallen ist, in dieses Mädchen. Er hatte sie schon einige Male heimlich besucht, wobei sie seine Liebe so ungestüm erwiderte, dass er um ihre Seele bangte. Einmal meinte der junge Herr, sie solle doch zu ihm auf die Burg kommen und in finsterer Nacht durch den Wald zu ihm eilen; dadurch könne sie ihre Liebe zu ihm beweisen und schließlich könne man solche Mutproben und Liebesbeweise von einer künftigen Rittersfrau verlangen.
Eigentlich hätte ein sittsames Mädchen einem so hartherzigen Burgherrn den Laufpass geben müssen, aber die Magd sann in ihrer blinden Liebe nach Plänen, wie sie dennoch ihren Liebsten treffen könne, ohne dass die Herrin dahinter käme.
Wieder einmal lief sie an einem späten Abend durch den nächtlichen Wald, um ihren Knappen z u besuchen. Da stand plötzlich am Weg ein Spielmann. Er trug einen langen roten Mantel, eine rote wippende Feder auf seinem Barett und sang in den verführerischsten Tönen von Liebe und Glück. Als der Unbekannte ihr auch noch versicherte, sie zu ihrem Liebsten zu führen, sooft sie es nur wolle, ohne dass die Herrin etwas davon merke, versprach sie in überschäumender Freude, diesem geheimnisvollen Minnesänger Leib und Leben für seine Hilfe. Das Mädchen kam nicht auf den Gedanken, dass ihr der Satan gegenüberstand, der nur nach ihrer Seele trachtete.
Sechs Jahre lang durchstreifte sie mit dem vermeintlichen Spielmann bei Wind und Wetter die Wälder, um sicher zu ihrem Freund zu kommen und wieder zur Burg auf dem Sodenberg zurückgeleitet zu werden.
In einer Herbstnacht stand jedoch plötzlich ihr geheimnisvoller Wegbegleiter in feuriger Glut vor ihr. Wild rollten seine Augen und seine fahlen knochigen Finger griffen nach ihr. Die schöne Maid riss sich jedoch zusammen und rief gebieterisch, sie zur Reußenburg zu geleiten. Er aber lachte höhnisch auf und erwiderte sarkastisch: „Deine Zeit ist nun abgelaufen, nun fahre mit mir in die Hölle!“
Da erst erkannte das junge Mädchen, in wessen Abhängigkeit sie sich seit sechs Jahren begeben hatte. Hilfesuchend rannte sie zum nahen Bildstock unter dem großen Baum am Weg und klammerte hilfesuchend ihre erstarrten Finger in den Sandsteinschaft. Aber vergeblich! – Der Herr der Hölle riss das Mädchen unbarmherzig los und zerrte es in die Tiefe seines Schattenreiches.
Heute noch kann man die Fingerabdrücke des unglücklichen Geschöpfes sehen, das sich einst in wilder Leidenschaft dem Teufel verschrieben hatte.
Quelle
Josef Lisiecki: Das Spinnjungfernkreuz am Sodenberg | entnommen aus: Landkreis Bad Kissingen (Hrsg.): Sagen und Legenden aus dem Landkreis Bad Kissingen, 1982, S. 132 f. | Nachdruck nur mit Quellangabe gestattet
Josef Lisiecki verweist im o.g. Sagenband zur Herkunft der Sage auf folgende Informationen und Quellen:
- Rhönwacht 1958, Nr. 2, S. 13 von Karl Stöckner,
- auch bei „Geschichten und Sagen des Hammelburger Raumes“, S. 53 nach Volkssagen im Saalegau, Bad Kissingen 1936, S. 83, nach A. W. Nikola.
- Bei L. Bechstein: Die Sagen des Rhöngebirges und des Grabfeldes 1842, S. 139 und 140 erscheint der Teufel in Gestalt eines schwarzen Bockes und trug die Maid durch die Lüfte zu ihrem Geliebten, dem Reußenburger Ritter. Als aber die vereinbarte Zeit verstrichen war, wurde die „Frevlerin vom bösen Feind hinweggeführt“. Der Bildstock trug früher eine Steintafel, auf der die Sage abgebildet war. Im Steinkreuz sind tatsächlich mehrere Löcher zu erkennen, die aber sehr weit voneinander entfernt sind. Die Behauptung […], dass alle Hände in diese 10 Fingereindrücke passen würden, trifft also nicht zu.
Ungefährer Ort der Sage
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